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210. Rahmenvereinbarung

zwischen
dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Baden-Württemberg

und der
Diözese Rottenburg-Stuttgart,
Erzdiözese Freiburg,
Evangelischen Landeskirche in Baden,
Evangelischen Landeskirche in Württemberg
(im Folgenden: Kirchen)

über die Zusammenarbeit im Rahmen
der Ganztagsschule gem. § 4 a Schulgesetz.

Vom 26. Februar / 16. April / 27. April / 2. März / 26. März / 16. September 2015

(Abl. 66 S. 368)

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Präambel

( 1 ) Die Kirchen unterstützen das Ziel der Landesregierung, Ganztagsschulen intensiv mit außerschulischen Partnern zu vernetzen. Ihrem Auftrag entsprechend nehmen die Kirchen dabei Verantwortung für eine gemeinwesen- und wertorientierte Gestaltung von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangeboten an der Ganztagsschule wahr.
( 2 ) Grundlage dieser Rahmenvereinbarung sind zum einen die Rahmenvereinbarung „Kooperationsoffensive Ganztagsschule“ vom 2. Juni 2014 und zum anderen ggf. weitere Rahmenvereinbarungen, sofern diese von den Kirchen unterzeichnet werden. Daher regelt die vorliegende Rahmenvereinbarung lediglich solche Aspekte, die nicht bereits in einer anderen Rahmenvereinbarung geregelt sind.
( 3 ) Über die in den Rahmenvereinbarungen gem. Absatz 2 geregelten Fragen hinaus kommt den Kirchen eine besondere Bildungsverantwortung gem. ihrer in Artikel 12 Abs. 2 Landesverfassung normierten Rolle als verantwortliche Träger der Erziehung zu, die sie im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechtes gem. Artikel 140 Grundgesetz i. V. mit Artikel 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung, gem. Artikel 5 Landesverfassung und gem. Artikel 1 Abs. 2 Evangelischer Kirchenvertrag Baden-Württemberg wahrnehmen.
( 4 ) Die vorliegende Rahmenvereinbarung verdeutlicht, wie die Bildungspartnerschaft von Staat und Kirchen an der Ganztagsschule umgesetzt werden kann. Die heutige religions-plurale Situation in Baden-Württemberg wird von den Kirchen begrüßt; sie verstehen sich als Anwälte der Pluralität in der Gesellschaft.
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§ 1
Potentiale der Kirchen

( 1 ) Die Kirchen mit ihren über sieben Millionen Mitgliedern, ihrem Netz von etwa 4.000 Kirchengemeinden sowie zahlreichen kirchlichen Einrichtungen sind zentrale gesellschaftliche Akteure in Baden-Württemberg. Sie sind religiös-konfessionell positioniert, in ihren Angeboten an der Ganztagsschule aber stets für alle Schülerinnen und Schüler offen.
( 2 ) Ausgangspunkt des kirchlichen Engagements sind die Schülerinnen und Schüler. Kirchliche Kooperationsangebote sind von einem ganzheitlichen Blick auf das Kind auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes geprägt. In besonderer Weise setzen sich die Kirchen für Fragen der Lebensorientierung und der sozialen Verantwortung ein, sie legen daher besonderen Wert auf personale und soziale Kompetenzen, partizipative Beteiligung der Kinder und Jugendlichen sowie auf verlässliche Beziehungen.
( 3 ) Innerhalb der Kirchen sind ihre örtlichen Kirchengemeinden sowie vielfältige weitere Einrichtungen und Organisationen tätig, beispielsweise Jugendverbände und Jugendwerke, Familienbildungsstätten, Kirchenmusikverbände, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Hilfswerke, Caritas und Diakonie. Als Partner, die vor Ort nach der Maßgabe dieser Rahmenvereinbarung tätig werden können, kommen alle Einrichtungen und Organisationen in Betracht, die den Kirchen zugeordnet sind.
( 4 ) Für Kooperationsprojekte können sowohl Räume der Schule als auch der Kirchen (z. B. Gemeindehaus, Jugendräume, Kirchengebäude) für das Ganztagsangebot genutzt werden. Schule und Kirchen stellen einander für die Ganztagsangebote in der Regel ihre Räume, je nach örtlichen Gegebenheiten, zur Durchführung der Ganztagsangebote gegenseitig zur Verfügung.
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§ 2
Rahmenbedingungen

( 1 ) Die Landeskirchen bzw. Diözesen unterstützen die örtlichen kirchlichen Partner, das Kultusministerium die Schulen bestmöglich dahingehend, dass qualitätsvolle Ganztagsangebote mit geklärten Rahmenbedingungen stattfinden können und dass Kontinuität und Verlässlichkeit der Angebote gewährleistet sind. Solche Angebote können beispielsweise Übungsphasen, Förderzeiten, Bildungszeiten, Aktivpausen und Kreativzeiten umfassen.
( 2 ) Um die Qualität der Ganztagsangebote zu sichern, sollen die eingesetzten Personen der kirchlichen Partner möglichst über einen Nachweis ihrer Qualifikation verfügen, beispielsweise die bundesweit anerkannte Jugendleitercard Juleica. Alternativ kann auf Personen mit langjähriger Praxiserfahrung zurückgegriffen werden. Einbezogen werden sollen, soweit möglich, auch Mitarbeitende der freiwilligen Dienste (BFD, FSJ, FÖJ usw.) sowie Schülermentorinnen bzw. Schülermentoren aus weiterführenden Schulen. Die Einzelheiten werden vor Ort zwischen Schule und kirchlichem Partner vereinbart.
( 3 ) Die eingesetzten Mittel aus der Monetarisierung von Lehrerwochenstunden werden in der Regel als Pauschalleistung an den kirchlichen Partner gezahlt. Diese regeln den Einsatz und die Vergütung der entsprechenden Personen (beruflich Tätige, ehrenamtlich Tätige oder Honorarkräfte) eigenständig.
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§ 3
Angebote kirchlicher Partner an der Ganztagsschule

( 1 ) Grundsätzlich sind kirchliche Angebote an der Ganztagsschule in großer Breite möglich, sie beinhalten beispielsweise Gruppenspiele, soziale Gruppenarbeit, Sport, Tanz, Erlebnispädagogik, Projektarbeit, Sucht- und Gewaltprävention, Basteln, Kunst, Musik und ähnliche Aktivitäten. Die Kirchen wirken mit ihren Ganztagsangeboten im Sinne des Schulgesetzes am staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag mit. Danach ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen. Dies erfolgt auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte. Für solche Angebote können staatliche Mittel aus monetarisierten Lehrerwochenstunden eingesetzt werden.
( 2 ) Darüber hinaus sind kirchliche Angebote mit weltanschaulich-religiöser Prägung auf freiwilliger Basis möglich.
( 3 ) Die kirchlichen Partner gewährleisten Transparenz ihrer Ganztagsangebote. Insbesondere kann die jeweilige Schulleitung jederzeit Einblick in die konkreten Aktivitäten nehmen. Die kirchlichen Partner sind bereit, an Maßnahmen der Qualitätssicherung und der Evaluation aktiv mitzuwirken.
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§ 4
Besondere Arbeitsformen und Vernetzungen

( 1 ) Die Vernetzung der Ganztagsangebote kirchlicher Partner mit anderen Formen der Kooperation der Kirchen in Bezug auf die Schule ist im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsansatzes erwünscht. Insbesondere Religionsunterricht, Schulpastoral bzw. Schulseelsorge, Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, die Jugendsozialarbeit einschließlich der Schulsozialarbeit, Hilfen zur Erziehung, Migrationsarbeit, Flüchtlingshilfe sowie Schul- und Schülergottesdienste stellen selbstverständliche Vernetzungsbereiche dar, unbeschadet der Verantwortung der genannten Bereiche für ihr jeweiliges Arbeitsfeld. Darüber hinaus wird seitens der kirchlichen Partner, je nach örtlichen Gegebenheiten, die Vernetzung mit anderen Formen kirchlicher Angebote hergestellt, beispielsweise zu Kindertagesstätten in kirchlicher Trägerschaft, kirchlichen Jugendverbänden, kirchlichen Familienangeboten usw.
( 2 ) Sofern außerschulische kirchliche Angebote, beispielsweise Vorbereitungsgruppen auf die Erstkommunion bzw. Angebote im Rahmen von „Konfi 3“ während der Ganztagszeiten stattfinden, können daran teilnehmende Schülerinnen bzw. Schüler für diesen Zeitraum von der Schulpflicht befreit werden.
( 3 ) Die kirchlichen Partner bemühen sich, je nach örtlichen Gegebenheiten, um interreligiöse Kontakte und Kooperationen. Sie unterstützen Ansätze des interreligiösen Dialogs an der Schule.
( 4 ) Im Sinne der Gemeinwesenorientierung suchen und unterstützen die kirchlichen Partner nach Kräften auch die Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Akteuren. Je nach örtlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen bringen sie sich, entsprechend der Rahmenvereinbarung „Kooperationsoffensive Ganztagsschule“, auch in die Koordination von Ganztagsangeboten ein.
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§ 5
Im Dialog bleiben

( 1 ) Für die Kooperation soll die jeweilige Schulleitung eine Lehrkraft als Ansprechperson benennen.
( 2 ) Die Partner dieser Rahmenvereinbarung beraten und begleiten den weiteren Ausbau und die Weiterentwicklung entsprechender Kooperationsangebote im Bereich der Ganztagsschulen weiterhin im Rahmen ihrer regelmäßigen Konsultationen oder durch gesonderte Treffen.

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Stuttgart, den 27. April 2015
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Baden-Württemberg,
vertreten durch
Herrn Minister Andreas Stoch, MdL

Rottenburg, den 26. Februar 2015
Diözese Rottenburg-Stuttgart,
vertreten durch
Generalvikar Dr. Clemens Stroppel

Freiburg, den 26. März 2015
Erzdiözese Freiburg,
vertreten durch
Generalvikar Msgr. Dr. Axel Mehlmann

Karlsruhe, den 2. März 2015
Evangelische Landeskirche in Baden,
vertreten durch
Oberkirchenrätin Barbara Bauer

Stuttgart, den 16. April 2015
Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertreten durch
Direktorin Margit Rupp