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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Beschluss
Datum:06.11.2012
Aktenzeichen:VG 13/11
Rechtsgrundlage:§ 27 Abs. 2 Satz 3 KVwGG; § 27 Abs. 3 KVwGG; Art. 12 GG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), Rechtsanwalt, Vertretungsbefugnis, Zurückweisung Prozessbevollmächtigter, innerkirchliche Angelegenheit, kirchlicher Rechtsschutz

Leitsatz

und Beschluss des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 6. November 2012

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Leitsatz:

  1. Einem Prozessbevollmächtigten, der seine Mitgliedschaft in einer Kirche, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehört, nicht nachgewiesen hat, fehlt die Vertretungsbefugnis; er ist zurückzuweisen.
  2. Zu den innerkirchlichen Angelegenheiten, die nicht unmittelbar vom Staat verliehene Befugnisse betreffen, gehört auch die Gewährung kirchlichen Rechtsschutzes durch Schaffung eines Kirchlichen Verwaltungsgerichts.
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Tenor:

Rechtsanwalt B. wird als Bevollmächtigter des Klägers zurückgewiesen.
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Gründe:

Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 KVwGG müssen Bevollmächtigte in einem Verfahren vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht Mitglied einer Kirche sein, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen angehört. Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 KVwGG vertretungsbefugt sind, weist das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss zurück (§ 27 Abs. 3 Satz 1 KVwGG).
Rechtsanwalt B. hat bis heute nicht dargelegt, dass er die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 KVwGG erfüllt. Er weigert sich vielmehr, entsprechende Angaben zu machen, und hält die maßgebliche Bestimmung für unvereinbar mit Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere sieht er darin eine Beschränkung seines Rechts aus Art. 12 GG (Berufsausübungsfreiheit).
Vorliegend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob Rechtsanwalt B. durch die genannte Regelung in seinem Recht auf freie Berufsausübung eingeschränkt wird, schon deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, weil im vorliegenden Rechtsstreit des Klägers gegen die Landeskirche allein durch die Ausschlussentscheidung potentiell betroffenene Rechte des Klägers in Rede stehen können. Aber auch wenn - aus der Sicht des Klägers - dessen Recht auf freie Wahl eines Prozessbevollmächtigten und damit der Verfassungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) betroffen sein könnte, vermag dieser der Anwendung des § 27 Abs. 3 Satz 1 KVwGG nicht erfolgreich den Einwand des Verstoßes gegen eine Norm des staatlichen Verfassungsrechts entgegenzuhalten. Dies gilt, ohne dass es auf die Stichhaltigkeit dieses Einwands ankommt, schon deshalb, weil das kirchliche Verwaltungsgericht nach § 9 Abs. 2 Nr. 9 KVwGG nicht berechtigt ist, über die Gültigkeit kirchlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden; das Gericht besitzt insoweit keine Verwerfungskompetenz (vgl. Verwaltungsgericht der Ev. Landeskirche in Württemberg, Beschluss v. 30.09.2011 - VG 04/11 -). Das Gericht hat auch keine Anhaltspunkte, die Zweifel daran wecken könnten, dass die einschlägigen Vorschriften mit der Kirchenverfassung vereinbar wären, so dass auch eine Vorlage an die Synode auf der Grundlage von § 9 Abs. 3 KVwGG nicht in Betracht zu ziehen ist.
Abgesehen hiervon ist der Kläger durch den Ausschluss von Rechtsanwalt B. auch tatsächlich nicht in Grundrechten verletzt; gleiches gilt im Übrigen für Rechtsanwalt B. und das von ihm in Anspruch genommene Grundrecht aus Art. 12 GG.
In diesem Zusammenhang bedarf es nicht der Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wieweit die Kirchen und ihre Einrichtungen an die Grundrechte der Verfassung, die von Anfang an Schutz- und Abwehrrechte des Bürgers gegen die staatliche Gewalt waren (BVerfG, Beschluss vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198), gebunden sind oder nicht. Im innerkirchlichen Bereich jedenfalls besteht keine Bindung an das für alle geltende Gesetz (so bereits BVerfG, Beschluss v. 17.02.1965, - 1 BvR 732/64 -, BVerfGE 18, 385 und Beschluss v. 21.09.1976 - 2 BvR 350/75 -, BVerfGE 42, 312). Zu den innerkirchlichen Angelegenheiten, die also nicht unmittelbar vom Staat verliehene Befugnisse betreffen (vgl. von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage, S. 114), gehört auch die Gewährung autonomen kirchlichen Rechtsschutzes durch Schaffung eines kirchlichen Verwaltungsgerichts. Denn diese Rechtsschutzgewährung erfolgt - wie sich aus § 9 Abs. 1 KVwGG ergibt - „unbeschadet der Zuständigkeit staatlicher Gerichte“. Damit gehört aber auch die nähere Ausgestaltung dieses Rechtsschutzes durch Erlass von Verfahrensvorschriften, insbesondere durch das KVwGG, einschließlich der Frage, wer vor diesen Gerichten auftreten darf, zu den angesprochenen innerkirchlichen Angelegenheiten, also zu dem Bereich, in dem keine Bindung an das für alle geltende Recht in Betracht kommt (so schon BVerfG, Beschluss v. 12.02.1981 - 1 BvR 567/77 -, NJW 83, 2570; BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 49/78 -, NJW 1981, 1972; ebenso von Campenhausen/Wall, a.a.O., S. 314).
Die Ausschlussregelung des § 27 Abs. 3 Satz 1 KVwGG verstößt daher nicht gegen höherrangiges staatliches Recht, sondern ist Ausdruck kirchlichen Selbstverständnisses in einem Bereich, den die Kirchen aufgrund ihres von der Verfassung garantierten Selbstbestimmungsrechts nach ihren eigenen Vorstellungen ordnen und verwalten können.