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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Beschluss
Datum:01.04.2005
Aktenzeichen:VG 01/05
Rechtsgrundlage:§ 14 KVwGG; § 40 Württ. Pfarrergesetz
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Akteneinsichtsrecht, Eilrechtsschutz, einstweilige Anordnung, Visitationsakten, Vorwegnahme der Hauptsache

Leitsatz

und Beschluss des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 1. April 2005

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Leitsatz:

  1. Einer Verpflichtung zur Gewährung von Akteneinsicht steht im Eilverfahren grundsätzlich das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
  2. Das Akteneinsichtsrecht des Pfarrers erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Visitationsakten.
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Az: VG 01/05
In der Verwaltungsrechtssache
Pfarrer ...
- Antragssteller -
gegen
die Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertr. durch den Oberkirchenrat,
dieser vertr. d. d. Direktorin im Oberkirchenrat,
Frau Oberkirchenrätin Rupp,
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart
- Antragsgegnerin -
wegen
Aktenvorlage
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch den Richter am Verwaltungsgericht Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden den Richter am Verwaltungsgericht Friedrich Klein als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt
die Pfarrerin Erika Schlatter als ordiniertes Mitglied
den Pfarrer Christian Kohler als ordiniertes Mitglied
den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied
am 1. April 2005 beschlossen:
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Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
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Gründe:

I.
Der Antragsteller begehrte bei der Antragsgegnerin Akteneinsicht in einen Visitationsteilbericht des Schuldekans G, der anlässlich einer im Kalenderjahr 1990 erfolgten Hauptvisitation der Kirchengemeinde B. erstellt worden war. Die Antragsgegnerin versagte ihm diese Akteneinsicht.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2005 hat der Antragsteller am 10. Januar 2005 beim Kirchlichen Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und erklärt,
„beantrage ich hiermit im Eilverfahren: Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der mir nun mitgeteilten Vorlageverweigerung durch die Beklagte“.
Der Antragsteller hält die Vorlage des Teilberichts von Schuldekan G. für unerlässlich. Der Bericht könne nicht von dem (Haupt-)Visitationsbericht (des Dekans) getrennt werden. Dieser Visitationsbericht ist Gegenstand des noch offenen Klageverfahrens VG 14/04.
Der Antragssteller gibt an, er sehe sich außer Stande, zu dem Klageverfahren VG 14/04 Stellung zu nehmen, wenn ihm nicht zuvor Einsichtnahme in diesen Schulbericht gewährt werde. Im Übrigen rügt er, der Teilbericht sei nicht zeitnah erstellt worden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung macht sie geltend: Der Antragssteller habe kein Recht auf Einsicht in die Visitationsakten. Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsgrund nicht zu erkennen. Die streitgegenständliche Weigerung der Antragsgegnerin tangiere keinen Rechtsanspruch des Antragstellers.
II.
Gemäß § 16 Kirchliches Verwaltungsgerichtsgesetz – KVwGG – i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung kann das kirchliche Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses nur treffen, wenn der Antragssteller deren Dringlichkeit (Anordnungsgrund) und den Rechtsanspruch, um dessen Verwirklichung es geht (Anordnungsanspruch), glaubhaft macht.
Weiter kann, dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend, das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte (vgl. hierzu Kopp/Schenke Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl. 2003, § 123, Nr. 13 ff). Dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung erleidet jedoch dann eine Ausnahme, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, das heißt, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht. Eine solche Ausnahme ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät kommen würde, wenn die dem Antragsteller drohenden Nachteile irrreparabel sind, oder wenn existenzielle Belange des Antragsstellers betroffen sind.
Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Akteneinsicht würde hier im Eilverfahren dem Antragsteller schon das gewähren, was er grundsätzlich nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Das Gericht vermag aber nicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen, dass also die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Dem Antragsteller ist deshalb zuzumuten, gegebenenfalls die Klärung seines Begehrens in einem ordentlichen Klageverfahren abzuwarten. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im Übrigen auch bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der erforderliche hohe Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache derzeit nicht festzustellen ist. Die Antragsgegnerin macht insoweit grundsätzlich zu Recht geltend, dass sich das Akteneinsichtsrecht des Pfarrers nicht auf die Visitationsakten erstreckt. Ob im vorliegenden Fall ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, bedarf gegebenenfalls einer weiteren rechtlichen Klärung (vgl. hierzu auch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs der EKU vom 11. Mai 1990, in: Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Rechtssprechungsbeilage 1990, S. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.
gez. Müller
gez. Klein
gez. Schlatter
gez. Kohler
gez. Dr. Deuschle